Die Wohnungsfrage ist seit langem ein wichtiger Bestandteil der politischen Debatte und wird in den letzten Jahren immer virulenter – und das besonders auch für Studierende. Es geht nicht mehr nur um Berlin, in dem Schlangen für Wohnungsbesichtigungen um den ganzen Block reichen oder Anzeigen wie «ein Zimmer 10qm² für 650€» kein schlechter Witz mehr sind.
Fehlender Wohnraum als Problem für sozial benachteiligte Gruppen
Obdachlosigkeit, Armut und mangelnder Zugang zu erschwinglichem Wohnraum sind für viele sozial benachteiligte Gruppen ein großes Problem. Neben Studierenden sind das besonders Menschen mit geringem Einkommen, Geflüchtete, Alleinerziehende oder Familien mit Kindern. Gruppen, die immer wieder als um den geringen vorhandenen Wohnraum konkurrierend gegeneinander ausgespielt werden, während das Kernproblem hinten unter fällt – der Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch eine fehlgeleitete Bau- und Mietenpolitik. Diese führt außerdem derzeit häufig zu einer Verdrängung von Menschen aus ihren Wohnungen in städtische Randgebiete, während die Stadtzentren zu AirBNB- und InvestorInnengebiet werden. Gentrifizierung und gesellschaftliche Segregation sind die Folge dessen. Daher ist das Thema Wohnen von großer Bedeutung für die Entwicklung einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft von Freien und Gleichen. Die Frage von Wohnungsnot war schon immer eines der Kernprobleme einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung und war seit Entstehen der ArbeiterInnenbewegung Teil sozialistischer Kämpfe. Eine sozialistische Wohnungspolitik kann dazu beitragen, diese Herausforderungen anzugehen und den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum für alle zu erleichtern. Doch wie lauten eigentlich deren Grundlagen? Diese Frage diskutieren wir auch gerade in einem Arbeitskreis der Juso-Hochschulgruppen und haben dabei für uns einige Grundsätze klargezogen.
Grundlagen sozialistischer Wohnungspolitik – Ergebnisse aus einem Arbeitskreis
Wohnen ist ein Grundrecht. Ein Zuhause zu haben, das Schutz, Sicherheit und Privatsphäre bietet, ist eine Grundvoraussetzung für ein gesundes und erfülltes Leben. Es ist ein Grundbedürfnis, das von jedem Menschen benötigt wird, unabhängig von dem Alter, der Herkunft, des Einkommens oder der sozialen Stellung. Darüber hinaus hat der Themenkomplex Wohnen auch weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes. Die Verfügbarkeit und Qualität von Wohnraum kann die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Bildungschancen der Menschen beeinflussen. Die Art und Weise, wie Wohnungen gebaut und geplant werden, hat Auswirkungen auf die Umwelt und führt zu sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten. Alle Arten von Diskriminierung, die wir in der Gesellschaft finden, werden auch auf dem Wohnungsmarkt reproduziert.
Wohnen als Grundrecht heißt, dass jeder Mensch das Recht hat, eine sichere und angemessene Unterkunft zu haben. In Deutschland ist das Recht auf Wohnen nicht ausdrücklich im Grundgesetz verankert, aber es gibt eine Reihe von Gesetzen und Vorschriften, die das Recht auf Wohnen schützen und fördern. Die soziale Wohnraumförderung, das Baugesetzbuch, das Mietrecht und die Wohnraumverordnung sind nur einige Beispiele für gesetzliche Regelungen, die darauf abzielen, eine angemessene und bezahlbare Unterkunft für alle zu gewährleisten. Darüber hinaus hat Deutschland die internationale Menschenrechtsvereinbarung des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) unterzeichnet, in der das Recht auf Wohnen als ein grundlegendes Menschenrecht anerkannt wird. In der Praxis bedeutet dies, dass die Regierung verpflichtet ist, angemessene Schritte zu unternehmen, um das Recht auf Wohnen zu gewährleisten. Trotz dieser Verpflichtung gibt es jedoch immer noch eine große Anzahl von Menschen die Schwierigkeiten haben, eine bezahlbare und angemessene Unterkunft zu finden.
Kapitalismus gegen Wohnraum als Grundrecht
Im Kapitalismus wird Wohnraum oft als eine Kapitalanlage betrachtet, die zur Generierung von Profiten genutzt werden kann. Wohnungen werden von Investoren gekauft und dann vermietet oder verkauft, um Renditen zu erzielen. Es führt dazu, dass Wohnraum nicht als Recht, sondern als Ware betrachtet wird, die nur denjenigen zur Verfügung steht, die in der Lage sind, sie zu kaufen oder zu mieten. Der Wille nach Gewinnmaximierung führt dazu, dass Investoren nicht genug in erschwinglichen Wohnraum investieren. Stattdessen konzentrieren sie sich auf den Bau von Luxus- oder Eigentumswohnungen, die nur von wohlhabenden Personen gekauft oder gemietet werden können. Eine sozialistische Kritik an diesem gewinnorientierten Wohnungsmarkt muss darauf beruhen, den Wohnungsmarkt aus dem privaten Sektor zu holen und als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu verstehen.
Eine sozialistische Wohnungspolitik konzentriert sich darauf, das Recht auf Wohnen für alle Menschen zu gewährleisten und eine gerechte Verteilung von Wohnraum zu erreichen. Dies kann durch eine Kombination von Maßnahmen erreicht werden, die die Produktion von und den Zugang zu Wohnungen regulieren und sicherstellen, dass alle Zugang zu einer angemessenen und bezahlbaren Unterkunft haben. Dazu gehört vor allem öffentlicher und gemeinnütziger Wohnungsbau, dessen Mieten gedeckelt sind. In der gegenwärtigen politischen Praxis sollen Sozialwohnungen eine solche Funktion einnehmen. Für Studierende sind es Wohnheime, die gewährleisten sollen, dass man sich während des Studiums nicht auch noch mit VermieterInnen rumschlagen muss. Häufig werden solche Bauten in öffentlicher Hand jedoch vernachlässigt und nicht ausreichend gepflegt, so dass ihr Zustand sich schnell verschlechtert – ein Umstand, der oft den MieterInnen angelastet wird und zu deren Stigmatisierung führt. Es muss sichergestellt werden, dass Sozialwohnungen und Wohnheime in gutem Zustand gehalten werden und allen Menschen zugänglich sind, die sie benötigen. Sozialwohnungen können auch dazu beitragen, soziale Durchmischung zu fördern, indem sie Menschen mit unterschiedlichem Einkommen und Hintergrund in derselben Nachbarschaft leben lassen.
Soziale Durchmischung führt dazu, dass verschiedene Bevölkerungsgruppen in einem Stadtteil oder einer Nachbarschaft leben sollten, um soziale Integration zu fördern und gesellschaftliche Begegnungsräume zu schaffen. Dies kann dazu beitragen, Vorurteile und Diskriminierung abzubauen und eine vielfältige und lebendige Gemeinschaft zu schaffen. Heute ist soziale Durchmischung das Ziel fast jeder Stadtentwicklung. Dahinter verstecken sich allerdings ganz unterschiedliche Verständnisse. Auch die Anfangsphase von Gentrifizierung kann als soziale Durchmischung bezeichnet werden, da sie in der Regel mit der Ansiedlung von Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten in einem Stadtteil einhergeht. Dies liegt daran, dass bei der Gentrifizierung oft alte und vermeintlich vernachlässigte Stadtteile durch Renovierung und Modernisierung wieder attraktiv gemacht werden sollen, was dazu führen kann, dass sich neue Bewohner*innen ansiedeln, die in der Regel eine höhere soziale Stellung und höhere Einkommen haben als die ursprünglichen Bewohner*innen. Dies führt oft dazu, dass einkommensschwache Bewohner*innen aus ihren Wohnungen verdrängt werden, da die Mieten steigen und sie sich diese nicht mehr leisten können. Die vermeintliche Diversifizierung von Wohngebieten durch Mietsteigerungen ist jedoch nichts als zynisch. Für eine sozialistische Wohnungspolitik muss klar sein, dass der Weg zu sozial durchmischten Wohngebieten über preissenkende Sozialwohnungen gehen muss – und nicht über preissteigernde Marktmaßnahmen.
Für ein gemeinschaftsorientiertes Wohnen ist es wichtig, dass demokratische Entscheidungsprozesse und die Beteiligung der Mieter*innen bei der Verwaltung der Wohnungen und des Wohnumfeldes gefördert werden. Die Gemeinde kann hierbei beispielsweise dafür sorgen, dass öffentliche Räume wie Grünflächen, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe der Wohnungen liegen. Auch die Einführung eines Mieter*innenrats kann hier von Vorteil sein. Die Förderung von alternativen Wohnformen wie Gemeinschaftswohnungen oder Genossenschaften muss auch in den Fokus rücken. Diese Wohnformen bieten den Mieterinnen und Mietern die Möglichkeit, gemeinsam zu leben und Ressourcen zu teilen, was oft zu einer höheren sozialen Interaktion und einer stärkeren Gemeinschaft führt.
Da diese Änderungen auf einem neoliberalen Markt nicht von alleine passieren, muss der Staat hier eingreifen. Vergesellschaftung und Enteignung sind Elemente, vor denen ein handlungsfähiger Sozialstaat keine Angst haben darf und die auch gesellschaftlich tragfähig sind, wie das Berliner Volksbegehren zeigt. Auf dem Weg dahin ist die Kontrolle von Mietpreisen ein wichtiges Element. Dies kann durch Mietregulierungen, Mietkontrollen, Mietendeckel oder andere Maßnahmen erreicht werden, die die Mieten erschwinglich halten und verhindern, dass Spekulationen auf dem Wohnungsmarkt zu explodierenden Preisen führen. Sie dienen dem Schutz der Mieterrechte. Dies kann durch Gesetze oder Regulierungen erreicht werden, die beispielsweise die Kündigung von Mietverträgen einschränken oder die Mieter vor willkürlichen Erhöhungen der Miete schützen. Außerdem können Programme zur Unterstützung Mietern eingerichtet werden, die ihnen helfen, die Kosten für die Instandhaltung und Reparatur von Wohnungen zu reduzieren.
Zusätzlich zu diesen Maßnahmen muss eine sozialistische Wohnungspolitik auch die Förderung von alternativen Wohnformen wie Genossenschaften oder gemeinschaftlichem Wohnen umfassen. Diese Wohnformen können oft dazu beitragen, den Bedarf an Wohnraum zu decken, während gleichzeitig die Gemeinschaft gestärkt und soziale Interaktionen gefördert werden. Da die Genossenschaften nicht profitorientiert arbeiten müssen, können sie ihre Mieten niedrig halten und in die Verbesserung der Wohnanlagen investieren. Zudem haben die Mitglieder ein Mitspracherecht und können Einfluss auf die Entscheidungen der Genossenschaft nehmen. In Deutschland gibt es eine lange Tradition genossenschaftlichen Wohnens. Auch heute noch sind Genossenschaften ein wichtiger Akteur auf dem Wohnungsmarkt und bieten eine Möglichkeit, bezahlbaren und gemeinschaftlichen Wohnraum zu schaffen.
Die Notwendigkeit einer sozialistischen Wohnungspolitik
Eine sozialistische Wohnungspolitik ist also notwendig, um für eine gerechtere Verteilung von Wohnraum und für bezahlbare Mieten zu sorgen. Die Wohnungspolitik sollte darauf abzielen, Wohnen als Grundrecht zu betrachten und dafür zu sorgen, dass jeder Mensch Zugang zu einer angemessenen und bezahlbaren Wohnung hat.
In vielen Städten und Ländern führt die steigende Nachfrage nach Wohnraum und die Knappheit an bezahlbarem Wohnraum zu einer Verdrängung von einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen und zu einer sozialen Segregation. Zudem soll die Wohnungspolitik auch dazu beitragen, dass Wohnraum nicht als Ware betrachtet wird und dass Wohnen nicht als Spekulationsobjekt genutzt wird. Eine sozialistische Wohnungspolitik kann durch Maßnahmen wie Mietendeckel, Enteignung von Immobilienkonzernen, Förderung genossenschaftlichen Wohnens und öffentlichem Wohnungsbau realisiert werden.